andrea witzmann
Der Nordwestbahnhof in der Brigittenau umfast 44 Hektar, das entspricht der Größe des Vatikans. Es werden pro Jahr immer noch rund 87.000 Container auf diesem Frachtenbahnhof verschoben, das sind 14% des Gesamtumschlags in Wien. Es handelt sich um ein betoniertes Areal mit mehreren Schienensträngen entlang von Lagerräumen und Rampen für Verladung und Verschub. Die Schienen verlaufen in Nordwestausrichtung paralell zur Nordbahnstraße und bilden eine Sichtachse Riesenrad - Leopoldsberg. Die Lagerhallen sind eingeschoßige unaufwendige Konstruktionen. Mit der Verbauung dieser Fläche wird ein riesiger Platz verschwinden der jetzt noch die Möglichkeit eines mir scheint sehr alten und typischen Blicks auf Wien ermöglicht. Dieser horizontale Blick wird dann nicht mehr existieren. Ich habe versucht die Weite und Dimension fotografisch abzubilden. Am Ende der Zubringerwege reihen sich je nach Himmelsrichtung Fassaden, oder im Norden die noch markanteren Feuermauern - teilweise mit Abdrücken nachbarlicher Abrisse - aneinander. Es ist ein weitläufiger offener Raum mit Durch- und Überblicken, Schallmauern und Grafitti fehlen weitgehend, nur manch ein Wagon ist verziert. Die bedrohlich großen Laster, die rasant auf die Zubringerstraßen hinausfuhren, sorgten mit Todesmeldungen in den letzten Jahre immer wieder für Schlagzeilen. Bei meiner jetzigen Wiederkehr nach den kalten Wintermonaten zeigt sich mir Wien in ausgeblichenem sonnigen Grau. Ein vertrautes, altbekanntes Wien. Ein Wien wie ein Revival eines Jahrzehnte lang nicht getanzten Hits. Die beiden Flaktürme des Augartens sind durch die mündenden Straßen und Häuserlücken immer wieder zu sehen und zementieren diese Vergangenheit im Jetzt. Nun soll sich der Ort bewegen; räumlich und zeitlich in die Gegenwart. Frachtschiffreisen, eine schöne Auseinandersetzung mit dem Hier und Heute auch im Sinne eines mobilen Raums, im Inneren als Konstante erlebbar, transportiert die Gesellschaft an ein Ziel ihrer Wahl. Das Fotografieren, auch wenn es vielleicht nur kurzfristiges Verweilen bedingt, vermittelt in komprimierter Form die Situation der Passage durch unterschiedlichst bestimmte Orte und Räume. Die animierten Zeichentrickfilme von Isao Takahata "Grave of the Fireflies" sowie soeben im Kino "Die rote Schildkröte" kommen mit wenig bzw. gar keinem Dialog aus. Sie sind in ihrer Detailgenauigkeit und Wiedergabe der Realität, ihrem realistischen Zeichenstil wie die Fotografie eine sich selbst erklärende Bildsprache. Die Mangas von Jiro Taniguchi "Der spazierende Mann" sind ähnlich wortkarg. Der Protagonist ist an einen neuen Wohnort gezogen und erkundet die Umgebung, macht sich wie ich ein Bild
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andrea witzmann